Landtag-Online 02|2019
Klimaschutz, Direktvermarktung und Schutz von Rettungskräften – Interview mit Ministerpräsident Stephan Weil
Ein Beitrag von: Waldschule Schwanewede (KGS)
Ein Highlight des zweiten Plenartages war das Interview mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).
Wir trafen den Landesvater in der Empfangshalle im Landtag und befragten ihn zur Fridays-for-Future-Bewegung sowie zum besseren Schutz von Rettungskräften – zwei Themen, die auch im Plenum auf der Tagesordnung standen.
n-21-Onlineredaktion: Die Opposition wirft Ihnen vor, sich aus PR-Gründen mit den Jugendlichen der Fridays-for-Future-Bewegung getroffen zu haben. Weshalb genau wollten Sie sich mit den Jugendlichen treffen?

Ministerpräsident Weil: Für mich war das wirklich interessant. Ich gehöre ja definitiv einer anderen Generation an als Ihr. Ich wollte einerseits hören, welche Gedanken sich die jungen Leute von Fridays-for-Future zum Thema Klimawandel machen. Andererseits wollte ich zum Ausdruck bringen, dass der in der Tat dringend notwendige Klimaschutz eine höchstkomplizierte Angelegenheit ist. Man kann beispielsweise nicht mit einer Dampfwalze über bestehende industrielle Strukturen hinwegfahren oder zu drastische Maßnahmen anordnen. Stichwort Gelbwesten in Frankreich – der Protest ist entstanden aus einer kontroversen Diskussion über CO2-Abgaben. Und das sollte uns in Deutschland besser nicht passieren, diese Art der Auseinandersetzung für den Klimaschutz wäre kontraproduktiv. Insgesamt bin ich fast täglich mit den unterschiedlichsten Initiativen zur Eindämmung des Klimawandels befasst. Die Vorwürfe der Opposition gehen insofern ins Leere.
n-21-Onlineredaktion: Die Jugendbewegung Fridays-for-Future fordert einen schnelleren Kohleausstieg. Was haben Sie geantwortet? Inwiefern berücksichtigen Sie diese Forderung bei Ihrem politischen Vorgehen?
Ministerpräsident Weil: Ich habe Euren gleichaltrigen Freundinnen und Freunden aus Hannover gesagt: Es gibt jetzt zum ersten Mal einen konkreten Ausstiegsplan für die Kohle. Das Problem, das sich dabei stellt ist folgendes: In der Lausitz zum Beispiel, ein großes Gebiet in Ostdeutschland, ist der Braunkohletagebau die wichtigste Branche und der wichtigste Arbeitgeber. Wenn man da jetzt „den Stecker ziehen“ würde, stünde eine ganze Region ohne Perspektive da. Ich fürchte, das würde die Akzeptanz für Klimaschutz nachhaltig gefährden. Der jetzt vereinbarte Ausstiegsplan ist schon sehr ambitioniert, weil ein großer Teil der ge-samten Braunkohleproduktion vor 2030 vom Netz gehen wird. Ich finde es richtig, dass man den Ausstieg zeitlich staffelt, um eine Chance für Strukturwandel zu haben. Das wird schwer genug werden.
n-21-Onlineredaktion: Die Fraktionsvorsitzende Anja Piel von Bündnis 90/Die Grünen hat gestern kritisiert, dass Sie das Niedersächsische Klimagesetz vor sich herschieben würden. Was entgegnen Sie ihr?

Ministerpräsident Weil: Die Grünen glauben, das sei so eine einfache Sache, da müsse man nur ein paar Ziele reinschreiben. So einfach ist das aber nicht. Im Klimaschutz haben wir keinen Mangel an Zielen, wir haben einen Mangel an rasch wirksamen Maßnahmen. Solche Maßnahmen und entsprechende Umsetzungsperspektiven müssen hart erarbeitet werden.
n-21-Onlineredaktion: Nun zu einem anderen Thema. Etwa 1200 bis 1400 landwirtschaftliche Betriebe in Niedersachsen verkaufen ihre Produkte bereits per Direktvermarktung. Inwiefern hat diese Art der Vermarktung eine regionale Bedeutung für Niedersachsen? Als Anreiz: „Regional ist das neue Bio”, meinte die CDU Fraktion gestern.
Ministerpräsident Weil: Der Erfolg hängt am Ende von den Konsumentinnen und Konsumenten ab. Wenn alle sagen, ja, die regionale Produktion von Lebensmitteln unterstütze ich, ist das prima. Aber anschließend laufen sie trotzdem zum Supermarkt und kaufen das billigste Angebot, egal, wo es herkommt. Das kann dann nicht funktionieren. Die Verbraucher müssen mitmachen!
n-21-Onlineredaktion: In Ihrem Statement zum Schutz von Rettungskräften, Amtsträgern, Polizisten und Lehrern appellieren Sie an die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger. Wie soll diese Solidarität konkret aussehen?
Ministerpräsident Weil: Manchmal fängt es schon damit an, dass in der Kneipe zum Beispiel über Polizeibeamte hergezogen wird. Dann würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen sagen, dass das so nicht in Ordnung ist. Oder wenn jemand Bilder von einer Unfallstelle zeigt und sich damit brüstet. Da sollte man mal fragen, ob es eigentlich in Ordnung ist, Fotos von schrecklichen Verkehrsunfällen zu machen. Es kommt darauf an, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen beziehungsweise wiederherzustellen, indem die wertvolle Tätigkeit von Ret-tungskräften wieder mehr öffentliche Unterstützung bekommt.
n-21-Onlineredaktion: Vielen Dank für das Interview, Herr Ministerpräsident.
Redaktions-Team: Megan, Jakob, Merle, Emilie
erstellt am 01.03.2019