Landtag-Online 02|2019
Digitalisierung, Frauenquote und der Kern der Demokratie – Interview mit der Landtagspräsidentin Gabriele Andretta
Ein Beitrag von: Waldschule Schwanewede (KGS)
Ein Schloß-Wintergarten als Büro, es gibt schlechtere Arbeitsplätze
Die Landtagspräsidentin Dr. Gabriele Andretta (SPD) zeigte sich uns gegenüber sehr aufgeschlossen und empfing uns in ihrem Landtagsbüro zum Interview.
n-21-Onlineredaktion: Die Digitalisierung in der Bildung steht heute auf der Tagesordnung. Wie sieht es denn hier im Landtag mit der Digitalisierung aus?

Landtagspräsidentin Andretta: Wir haben hier im Landtag bereits in der letzten Legislaturperiode auf einen papierlosen Landtag umgestellt. Das bedeutet, dass alle Dokumente und Drucksachen elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Die Abgeordneten sind mit Tablets ausgestattet, über die sie Änderungsanträge, die oft sehr kurzfristig eingebracht werden, sofort abrufen können. Das betrifft inzwischen auch unsere Landtagsverwaltung, auch dort wird weitgehend papierlos gearbeitet.
n-21-Onlineredaktion: Was versprechen Sie sich von der Einführung des Plenar-TVs?
Landtagspräsidentin Andretta: Es gab schon in der Vergangenheit TV-Aufzeichnungen der Landtagssitzungen, zum Beispiel den Livestream in Zusammenarbeit mit dem NDR. Neu ist das Angebot, dass einzelne Sequenzen abgerufen werden können, die auch in der Mediathek verfügbar sind. Dies ermöglicht den Abgeordneten ihre Redebeiträge zum Beispiel in den sozialen Medien zu nutzen. Wir erhoffen uns durch diese Transparenz der Debatten einen noch besseren Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Für uns ist das eine Möglichkeit das Vertrauen in parlamentarische Demokratieprozesse zu stärken.
n-21-Onlineredaktion: Wir haben recherchiert, dass die Frauenquote im Parlament sehr gering ist, welchen Tipp hätten Sie für junge Mädchen, die in die Politik gehen möchten?
Landtagspräsidentin Andretta: Leider müssen wir tatsächlich feststellen, dass die Frauenquote hier im Parlament von über 30% in der vorherigen Wahlperiode nun auf 27,7% gesunken ist. Zunächst ist es grundsätzlich unsere Aufgabe, und dafür setzte ich mich schon sehr lange ein, dass wir über ein Gesetzesvorhaben wie ein Paritätsgesetz sicherstellen, dass Frauen dem Verfassungsauftrag entsprechend gleichberechtigt im Parlament vertreten sind. Es wäre ein wichtiges Signal an die Frauen, dass ihre Stimmen in den Parlamenten erwünscht sind und ihre Teilhabe eine Selbstverständlichkeit ist. Was die Frage des politischen Engagements angeht, da habe ich die Erfahrung gemacht, dass sehr viele junge Frauen engagiert sind.

Ich hatte Ende Januar Jugendliche eingeladen, darunter waren zur Hälfte junge Frauen, die sich engagieren und einbringen in die Gesellschaft. Es ist wichtig, dass dieses Engagement den Weg in die Parlamente findet. Hier sind in erster Linie die Parteien aufgefordert, Angebote für junge Frauen zu machen, die attraktiv sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass junge Menschen gerne in Projekten arbeiten und sich einbringen. Da dürfen etablierte Parteistrukturen nicht abschreckend wirken, die Parteien sind gefordert, neue Wege zu gehen. Junge Menschen müssen einbezogen werden und eine Perspektive in der Politik sehen. Genau das brauchen wir in einer Demokratie, dass sich alle gesellschaftlichen Gruppen dort wiederfinden und sie ihre Sichtweise, ihre Interessen, ihre Stimme einbringen können.
n-21-Onlineredaktion: Was denken Sie, wenn Sie in einer Plenarsitzung das Parlament mal wieder um Ruhe bitten müssen?
Landtagspräsidentin Andretta: Das gehört einfach zum Geschäft der Sitzungsleitung dazu. Eine leidenschaftliche Debatte ist eigentlich etwas, was dem Parlamentarismus gut tut. Hier geht es darum, dass man als Präsidentin sicherstellen muss, dass jeder Redner und jede Rednerin zu Wort kommt. Die Einhaltung der parlamentarischen Regeln ist dabei besonders wichtig, es darf keine Beleidigungen oder persönliche Angriffe geben. Jede Meinung darf im Parlament gehört werden, man muss sie nicht teilen, aber anhören sollte man sie. Das ist Teil einer demokratischen Kultur, die ich als Präsidenten dann auch einfordere.
Im Grunde ist es so, wenn in Parlamenten gestritten wird, ist diese demokratische Auseinandersetzung ein Ringen um unterschiedliche Meinungen. Das ist der Kern der Demokratie. Leider hat Streit häufig einen sehr negativen Duktus, aber die strittige Debatte gehört dazu! Fragen, zusätzliche Redezeit und Kurzinterventionen machen die Landtagssitzungen lebendiger, aber es gibt Regeln, an die man sich halten muss. Wir können nicht von Bürgerinnen und Bürgern erwarten, dass sie respektvoll mit Meinungen anderer umgehen, wenn Abgeordnete diesen Respekt im Parlament nicht vorleben. Die Landtagspräsidentin und ihre Vertreter sind bei der Debatte zu Objektivität und Neutralität verpflichtet und die Sitzungsleitung und die entsprechenden Regeln werden im Grunde genommen auch von allen Abgeordneten akzeptiert.
n-21-Onlineredaktion: Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Andretta, Landtagspräsidentin und SPD-Landtagsabgeordnete aus Göttingen.
Redaktions-Team: Megan, Jakob, Merle, Emilie
erstellt am 03.03.2019