Landtag-Online 12|2018
Demokratie ist nichts, womit man geboren wird
Ein Beitrag von: Waldschule Hatten
Interview mit Kultusminister Tonne (SPD)
Demokratiebildung, der Haushalt, die Digitalisierung an niedersächsischen Schulen in Verbindung mit dem bundesweit geplanten Digitalpakt Schule sowie das Meldeportal der AfD wurden im Plenum bereits hitzig debattiert. Wir nutzten die Chance, den Niedersächsischen Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) zu diesen Themen zu interviewen.
Luka: Herr Minister, zum Auftakt des Plenums ging es um Demokratiebildung in Schulen. Wie sieht diese politische Bildung aus?

Grant Hendrik Tonne: Wir werden im kommenden Jahr die Demokratiebildung an niedersächsischen Schulen deutlich stärken. Hierfür haben uns die Regierungsfraktionen zusätzliche Mittel in Höhe von 500.000 Euro zur Verfügung gestellt. Wir möchten dieses Geld gerne zum einen für das Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ in Niedersachsen einsetzen. Wir möchten dieses Projekt gerne ausbauen und die 300 beteiligten Titelschulen noch besser miteinander vernetzen. Dafür braucht man Personal und somit muss Geld zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus möchten wir in Niedersachsen ein friedenspädagogisches Netzwerk ins Leben rufen. Und wir wollen ein Kinderrechte-Netzwerk an Grundschulen aufbauen. Damit wollen wir z. B. die Möglichkeit schaffen, auch in Grundschulen eine Schülervertretung wählen zu können. Last but not least soll es im nächsten Jahr einen Grundsatzerlass Demokratiebildung geben.
Benjamin: Wie stehen Sie zum Meldeportal, das die AfD für Schüler und Eltern in Niedersachsen plant?
Grant Hendrik Tonne: Wenn es nur um ein Meldeportal gehen würde, würde ich sagen, dass das eine große Albernheit ist. Wir werden diese Initiative ignorieren, da es eine Idee ist, die keiner braucht. Die Debatte über dieses Meldeportal streut aber Verunsicherungen in die Schulen, weil die Schüler und möglicherweise auch die Lehrkräfte nicht wissen, was gesagt werden darf und was nicht. Das werde ich in Niedersachsen nicht zulassen. Lehrer sollen eine eigene Meinung haben dürfen und diese auch aussprechen! Das haben wir jetzt noch einmal in Form eines Briefes an die Schulen klargestellt und darum gebeten, dass die Lehrer die kritischen Diskussionen über Politik weiterführen sollen. Niemand soll aufgrund der Pläne der AfD verunsichert sein.
Luka: Sehen Sie die Meinungsfreiheit und demokratischen Grundwerte an Schulen gefährdet?
Grant Hendrik Tonne: Nein, ich sehe sie nicht gefährdet. Die Schulen sind genau der Ort, an dem Demokratie vermittelt und gelebt wird. Demokratie ist nichts, womit man geboren wird. Man ist nicht automatisch Demokrat und man bleibt es auch nicht automatisch. Demokratie muss erlernt und auch immer wieder verteidigt werden. Das ist eine entscheidende Aufgabe von Schulen und wir tun gut daran, die Schulen dabei zu unterstützen. Selbstverständlich gibt es überall Meinungsfreiheit, da werden wir uns auch nichts vormachen lassen.

Benjamin: Kommen wir zum Digitalpakt Schule. Hierzu sollen bundesweit 5 Milliarden Euro investiert werden. Mit wie viel Millionen rechnen Sie für Niedersachen?
Grant Hendrik Tonne: Wir gehen davon aus, dass von diesen 5 Milliarden Euro ungefähr 470 Millionen Euro nach Niedersachsen fließen. Es gibt hierzu den sogenannten Königsteiner Schlüssel. Niedersachsen würde demnach von den Bundesgeldern ca. 10 % bekommen, die insbesondere in die Ausstattung der Schulen fließen sollen.
Luka: Welche Maßnahmen plant die Landesregierung unabhängig vom Digitalpakt?
Grant Hendrik Tonne: Nach der Sommerpause hat die rot-schwarze Landesregierung den Masterplan Digitalisierung beschlossen. Dieser bildet eine wichtige Grundlage, weil die Schulen dadurch eine vernünftige Breitband-Anbindung erhalten werden. Diese muss für alle Schulen gelten, egal ob groß oder klein, egal ob städtisch oder ländlich. Beim Digitalpakt geht es im Schwerpunkt um die Ausstattung von Schulen, nicht um die Einrichtung von Computerräumen. Das wäre eine Idee aus den 1990ern, aber nicht eine für 2018. Heutzutage müssen eine vernünftige WLAN-Ausleuchtung und eine vernünftige Server-Struktur beispielsweise zum Einsatz von Whiteboards gewährleistet sein. Die Schulen erarbeiten hierzu ihr eigenes Medienkonzept. Dazu bieten wir Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte an. Im letzten Jahr haben 20.000 Lehrkräfte an Fortbildungen im Bereich Medienbildung teilgenommen. Wir haben in Niedersachsen das Landeskonzept „Medienkompetenz in Niedersachsen – Ziellinie 2020“ als inhaltliche Leitlinie. Wir machen dies ja nicht allein wegen des Breitband-Ausbaus, sondern damit es vernünftig pädagogisch begleitet auch im Unterricht stattfinden kann. Am Ende des Prozesses soll das Tablet als digitales Lernmittel anerkannt werden. Dafür müssen jedoch zunächst die technischen wie pädagogischen Voraussetzungen geschaffen werden.
Benjamin: Diese Woche wird auch der Haushalt 2019 für das Kultusministerium verabschiedet. Welche neuen Projekte und wichtigsten Maßnahmen werden damit finanziert?

Grant Hendrik Tonne: Das Kultusressort umfasst die frühkindliche Bildung sowie den schulischen und berufsbildenden Bereich. Im frühkindlichen Bereich haben wir als wichtigste Maßnahme die Reformierung der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern vor, die auch die Einführung der Schulgeldfreiheit umfasst. Die Ausbildung soll zukünftig auch berufsbegleitend und vergütet absolviert werden können. Wir haben in diesem Jahr die Beitragsfreiheit im Kindergarten eingeführt. Wir wollen im nächsten Schritt die Qualität in den Kindertagesstätten weiter stärken. Im schulischen Kontext setzen wir ein Signal beim Ausbau von multiprofessionellen Teams. Mehr Schulsozialarbeiter und mehr pädagogische Mitarbeiter sollen für weitere Entlastung der Lehrkräfte sorgen. Wir wollen die Attraktivität des Lehrerberufs stärken. Hierzu soll es eine Imagekampagne geben. Außerdem wird zurzeit das Thema Besoldung von Grund-, Haupt- und Realschullehrkräften intensiv diskutiert. Im berufsbildenden Bereich wollen wir zum Beispiel die im Masterplan Digitalisierung beschriebenen Themen 3D-Druck, das Thema Robotik und das Distanz-Lernen mit Videokonferenzsystemen an Schulen vorantreiben. Wir haben also auch im nächsten Jahr viel vor!
Vielen Dank für das Interview, Grant Hendrik Tonne, Kultusminister von Niedersachsen.
Autoren: Luka und Benjamin.
erstellt am 12.12.2018