Landtag-Online 11|2018
E-Autos, Fahrverbote, Plastikmüll und Moorbrand – Interview mit Umweltminister Olaf Lies (SPD)
Ein Beitrag von: Oberschule Inselschule Borkum
Zweiter prominenter Interviewgast nach Ministerpräsident Stephan Weil war der Umweltminister Olaf Lies (SPD).

Wir nutzten die Gelegenheit, ihn neben den Themen Elektromobilität, Diesel-Fahrverboten und den Schadensausgleichzahlungen der Bundeswehr, auch auf unsere spezifischen Borkumer Anliegen anzusprechen.
Herr Minister, fahren Sie ein Elektroauto?
Ja, im Dienst. Ich hab zwei Autos, einen großen Audi A6 für die langen Strecken und einen E-UP, als Elektroauto für die Region.
Sehen Sie in der E-Mobilität die Zukunft?
Auf jeden Fall. Die emissionsfreie Mobilität, also Batterien oder auch Wasserstoff und Brennstoffzelle, halte ich für einen guten Weg. Das haben wir auch offen diskutiert, aus erneuerbaren Energien, wie aus Strom oder Wasserstoff, vielleicht auch synthetische Kraftstoffe herzustellen. Also auf jeden Fall CO2-frei.
Was halten Sie von Diesel-Fahrverboten in Großstädten?
Gar nichts. Das liegt aber daran, dass ich das eigentlich für den falschen Weg halte. Also man stellt ein Schild vor die Stadt und sagt „Du darfst hier nicht mit dem Diesel rein“ und hat das Problem gelöst? Mir wäre lieber, man löst das Problem, indem man wirklich attraktive ÖPNV-Angebote, also Bus- oder Bahnangebote, macht. Die Leute brauchen eine Alternative, weil die Leute sonst ihr Dieselauto verkaufen und sich ein Benzinauto anschaffen. Damit entstehen noch mehr CO2-Emissionen als vorher und für die Umwelt haben wir gar nichts getan. Deswegen keine Fahrverbote, sondern wirkliche Maßnahmen.
Bei uns zieht immer der Qualm vom Kohlekraftwerk im niederländischen Eemshaven zu unserem Strand herüber. Können Sie als Umweltminister nicht dafür sorgen, dass das Kraftwerk abgeschaltet wird?
Ja, das war ein langer Kampf auf der Insel und auch der Stadt Emden gegen die Inbetriebnahme des Kraftwerks. Die Niederländer haben jetzt tatsächlich einen CO2-Ausstiegsplan definiert, der die Stilllegung der Kohlekraftwerke beschreibt. Das ist auch absolut richtig, weil auch die Niederlande stark auf die erneuerbaren Energien setzen. Aber wenn wir den Niederländern sagen, „Ihr müsst eure Kraftwerke abschalten“ müssten wir unsere natürlich auch abschalten. Das wäre fair und insofern hoffe ich, auch als Mitglied der Kohle-Kommission in Berlin, dass es dort einen konsequenten Beschluss gibt, der vorgibt, dass nach 2030, spätestens 2035 keine Kohlekraftwerke mehr benötigt werden. Zumindest keine, die im Dauerbetrieb fahren wie heute. Dann können wir auch zurecht fordern, dass die Niederländer den Weg auch gehen. Aber ich finde, wir müssen natürlich auch selber diesen Weg mitgehen.

Bei uns liegen zwei große Offshore-Anlagen vor der Insel Borkum. Können wir mit noch mehr Anlagen rechnen? Wie ist der Planungsstand?
Ja, geplant sind noch mehr Offshore-Anlagen, die aber in der Regel weiter außerhalb liegen. In Deutschland hat man sich dazu entschieden, Offshore-Windparks auf hoher See zu bauen. Das ist eine Herausforderung, weil wir enorme Wassertiefen dort haben und eine große Entfernung zur Küste, aber wir erzeugen dadurch auch viel Energie. Die hohe Anzahl an Volllaststunden sichert uns eine stabile Energieversorgung. Ich hoffe, in den nächsten Jahren werden noch viele Offshore-Anlagen entstehen, denn wenn wir die Energiewende wollen, brauchen wir die Erneuerbaren. An Land ist es mit der Akzeptanz immer schwer, die Diskussion kennen wir ja. Keiner will dort mehr Windenergie und direkt vor der Küste, im Sichtfeld, dort will sie auch keiner. Deswegen haben wir jetzt, glaube ich, einen ganz vernünftigen Weg gewählt. Wir gehen zwar weiter raus, aber dafür haben wir eine hohe Energiegewinnung.
Bei uns auf der Insel ist spürbar, dass der Plastikmüll überhandnimmt. Das Thema wird morgen (Mittwoch) von der rot-schwarzen Landesregierung eingebracht. Mit welchen Maßnahmen sollen in Niedersachsen eine Reduzierung des Mülls erreicht werden?
Wir haben eine Maßnahme, die ab 1.1.2019 greift. Dann gibt es auch Pfand auf die kleinen Plastikflaschen, in denen Saft ist. Erstaunlicherweise hat man das bisher nur für Getränke, in denen Kohlensäure war, gemacht. Diese Logik habe ich auch nicht verstanden. Das heißt, wir müssen vieles im System halten. Pfand ist eine gute Lösung, damit man Müll oder Dinge nicht wegwirft, sondern einen Wert behält und die Flaschen zurückgibt. Eine weitere Maßnahme ist ein Beschluss der EU, der vorsieht, dass bestimmte Plastikprodukte wie zum Beispiel die Plastikgabel verboten sind. Ich glaube 12 oder 15 von den meisten, am Strand angespülten Plastikgegenständen, werden verboten. Das halte ich für einen ziemlich konsequenten Weg. Ich weiß, verbieten ist immer schwierig, aber wir müssen, gerade bei Plastik, einen vernünftigen Weg gehen. Das dritte ist, da Plastik eigentlich Kunststoff ist und wir Kunststoff in vielen Bereichen brauchen, wir dafür sorgen müssen, eine viel höhere Recyclingquote zu bekommen. Es geht darum, mehr Kunststoff zu sammeln und diesen auch wiederzuverwerten und nicht zu verbrennen. Das wären gute Wege. Auf den Inseln haben wir natürlich eine riesige Aufgabe, aber auch eine riesige Chance. Wir beziehungsweise die Insulaner, aber auch die Gäste sammeln sehr eifrig den Müll. Das sensibilisiert für die Thematik. Die Menschen, die bei uns Urlaub machen und sehen, was da in kürzester Zeit gesammelt wird, müssen auch ein Verständnis dafür haben, das es so nicht weitergehen kann und das man etwas machen muss.
Letzter Punkt: Wir reden ja auch immer nur über das, was wir sehen an Plastikmüll. Aber wir müssen auch über den Plastikmüll reden, den wir gar nicht sehen, also das was wir Mikroplastik nennen. Was in der Kosmetik oder anderen Bereichen ist. Das müssen wir einfach konsequent verbieten. Vielleicht sollten wir erstmal den Kunden aufklären. Die Belastung durch Mikroplastikteilchen ist genau genommen noch schlimmer, weil sie direkt in den Umweltkreislauf gehen. In den Kläranlagen wird das Mikroplastik nicht rausgefiltert und es liegt morgen, quasi als Nahrung, wieder bei uns auf dem Tisch.
Viele Borkumer fühlen sich durch die immer größer werdenden Auflagen des Naturschutzes in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Wie können die Aspekte „Wirtschaftlichkeit“ und „Naturschutz“ in Einklang gebracht werden?
Eigentlich ist das doch in den allermeisten Fällen im Einklang. Ohne den starken Umwelt-und Naturschutz in der Vergangenheit, gäbe es auch keinen Nationalpark Wattenmeer und somit auch kein Weltnaturerbe. Ich glaube schon, dass neben der grundsätzlich hohen Attraktivität, die wir als Küstenregion, aber auch gerade die sieben Inseln haben, ist das schon ein echtes Merkmal.
Wir haben auf den Inseln jetzt eine Debatte, da geht es eher um die Frage der Jagd. Die kann man pragmatisch lösen. Die Jäger dürfen nicht an jeder Stelle im Nationalpark jagen, aber ich glaube, da kann man vernünftige Ausgleiche finden. Eigentlich haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen, dass das gut funktioniert im Mit- und Nebeneinander und wir an vielen Stellen eine Lösung gefunden haben. Auf den Inseln ist das besonders schwierig, weil der Raum begrenzt ist und alles was eingeschränkt nutzbar ist, führt natürlich auch zu sofort spürbaren Konsequenzen.
Und zum Schluss eine kurze Frage zum Moor Tinner Dose. Inwiefern ist das Umweltministerium an der Renaturierung des Moores beteiligt?

Wir sind sehr daran interessiert, gemeinsam mit der Bundeswehr und den beteiligten Behörden zu klären, was überhaupt für ein Schaden entstanden ist, weil wir, ganz offen gesagt, keinen richtigen Einblick haben. Das ist Bundeswehrgelände, da kommen wir so nicht drauf. Mal abgesehen von dem Unsinn, der dort passiert ist, muss geklärt werden, was an Moor und Lebensraum verloren gegangen ist. Das Naturschutzgebiet muss wieder rekultiviert werden. Von der Bundeswehr erwarten wir, dass sie diesen Schaden nicht nur ausgleicht, sondern eigentlich nochmal einen „Schluck“ oben drauf setzt. Wir werden diesen Prozess als Naturschutzbehörde intensiv begleiten.
Autorenteam: Neeltje, Rieke, Ilyas und Kilian
erstellt am 15.11.2018