Landtag-Online 05|2018
5 x 5 x 30 – 5 Fragen an die Fraktionsvorsitzenden von CDU, Grüne, FDP und AfD plus Landesvater Weil
Ein Beitrag von: Werner-von-Siemens-Gymnasium Bad Harzburg
Unser Konzept: Fünf Fragen wollten wir den fünf Fraktionsvorsitzenden im Parlament stellen, Zeitvorgabe 30 Sekunden. Als klar war, dass Ministerpräsident Stephan Weil uns besuchen und unsere Zeit sehr knapp werden würde, bezogen wir ihn stellvertretend für die SPD ein.
Das Interview mit dem Landesvater ist in einem exklusiven Artikel in unserem separaten Blog zu finden.
Hier die Antworten der Fraktionschefs von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und AfD.
Interview mit ….
Gestern war in den Medien vom neuen Polizeigesetz in Bayern zu hören. Können wir uns das neue Polizeigesetz in Niedersachsen auch so vorstellen, dass verdachtsunabhängige Ermittlungen möglich sind?
CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Toepffer.
Dirk Toepffer (CDU): Das niedersächsische Polizeigesetz unterscheidet sich deutlich von dem, was in Bayern jetzt beschlossen wird. Verdachtsunabhängige Kontrollen wird es in dem Maße bei uns nicht geben. Ich glaube, das brauchen wir auch nicht, denn wir haben in Niedersachsen eine recht gute Sicherheitsbilanz und sehen dort jetzt keine Notwendigkeit.
Anja Piel (Bündnis 90/Die Grünen): Wir haben als Grüne eine klare Position, dass wir finden, Bürgerrechte dürfen nicht in so einem Umfang beschnitten werden. Wir haben auch schon angekündigt, dass, wenn dies der Fall ist, wir eine Klage bei der EU einreichen, um das überprüfen zu lassen.
Stefan Birkner (FDP): Das Polizeigesetz wird heute noch diskutiert und die Landesregierung hat den Gesetzentwurf vorgelegt. Dabei geht es darum, dass die polizeilichen Möglichkeiten ausgeweitet werden sollen. Das sehen wir als FDP-Fraktion kritisch. Es wird immer Anhaltspunkte für die Polizei geben müssen, sonst wäre es offensichtlich verfassungswidrig. Wir sind aber der Auffassung, dass die Befugnisse, die man der Polizei geben will, zu weitgehend und auch nicht notwendig sind. Wir brauchen keine weiteren Ermächtigungsgrundlagen, sondern wir müssen die sachliche und personelle Ausstattung der Polizei verbessern.
Dana Guth (AfD): Ja, ich denke, die Ansätze sind völlig richtig, denn die gesamte Sicherheitslage hat sich geändert und verschärft, und das nicht zum Guten. Von daher halte ich es grundsätzlich für nötig, die gesetzlichen Möglichkeiten auf den Prüfstand zu stellen, sie anzupassen und gegebenenfalls zu verschärfen.
Halten Sie die Forderung von Frau Piel als realistisch an, zwei neue Feiertage einzuführen?
Dirk Toepffer (CDU): Es ist ein schwieriges Problem, welchen Feiertag man in Niedersachsen zu einem zusätzlichen gesetzlichen Feiertag erheben soll. Auch in meiner Fraktion gibt es große Diskussionen darüber, welcher Tag der richtige ist. Es ist eine schwierige Diskussion, der wir uns stellen müssen. Es macht keinen Sinn dieser Diskussion dadurch zu begegnen, dass man einfach die Zahl der Feiertage erhöht. Es ist nicht realistisch, mehrere Feiertage einzuführen. Zusätzliche Feiertage sind zwar schön für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, kosten aber auch Geld. Ich glaube, es wird bei einem Feiertag bleiben.
Warum fordern Sie die Einführung von zwei neuen gesetzlichen Feiertagen, Frau Piel?
Anja Piel, Grünen-Fraktionvorsitzende im Landtag.
Anja Piel (Bündnis 90/Die Grünen): Wir liegen im Bundesdurchschnitt weit hinter den anderen Bundesländern zurück – wir bilden quasi das Schlusslicht. Es gibt in Bundesländern wie Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, 13 und 14 Feiertage. Selbst wenn wir diese zwei durchsetzen, sind wir gerade im Mittelfeld und immer noch nicht an der Spitze. Wir hoffen, dass wir noch in Verhandlungen mit den anderen Fraktionen im Landtag zu diesem Thema kommen.
Stefan Birkner (FDP): Das lehne ich ab. Wir als Freie Demokraten sind der Auffassung, dass ein neuer Feiertag so eine überzeugende Begründung haben sollte, dass er sich förmlich aufdrängt. Dies ist bei allen Tagen, die im Moment diskutiert werden, nicht der Fall. Damit ist auch nicht gerechtfertigt, dass der Staat einfach einen Tag freigibt. Das ist Aufgabe der Sozialpartner, also der Gewerkschaften und der Arbeitgeber, diese Dinge auszuhandeln. Bislang ist all‘ das, was von Seiten der Grünen und der Landesregierung diskutiert wird, der Versuch zu begründen, einen neuen freien Tag einzuführen. Das kann ich verstehen, denn das kommt gut bei den Bürgern an, aber das ist nicht Aufgabe der Politik.
Dana Guth (AfD): Bisher stand die Debatte um einen neuen Feiertag im Mittelpunkt und das ist, glaube ich, schon aus Gründen der Gerechtigkeit mit anderen Bundesländern wichtig. Ich denke, ein neuer Feiertag sollte genügen. Wir als AfD-Fraktion stehen klar hinter der Forderung, dass ein neuer Feiertag für Niedersachsen eingeführt wird.
Wir kommen aus dem Harz und dort sind wir vom Tourismus abhängig. Das Thema ländlicher Raum steht am Freitag auf der Tagesordnung. Wir haben im Harz nicht das Problem, das wir zu wenig Tourismus im ländlichen Raum haben. Mittlerweile ist der Boom so groß, dass der Verkehr oftmals durchs Staus oder Parkplatzsituation „kollabiert“. Welche verkehrspolitischen Alternativen sehen Sie für unsere Region?
Dirk Toepffer (CDU): Wir müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie die Infrastruktur im Harz erhalten und ausgebaut wird und wie er mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann. Ich bin selbst oft im Harz und ich weiß, dass man die ein oder andere Kommune dort beispielsweise mit der Deutschen Bahn sehr schlecht erreichen kann. Man ist geradezu darauf angewiesen mit dem eigenen PKW zu fahren. Besonders im Winter führt dies in Stoßzeiten immer wieder zu schwierigen Problemen.
Anja Piel (Bündnis 90/Die Grünen): Der Nahverkehr und die Züge sind sehr knapp in der Logistik bemessen. Ich bin selber schon mit der Bahn im Harz unterwegs gewesen. Diese Knappheit habe ich auch schon am eigenen Leib erfahren: Ich habe in Goslar festgesessen in der Zeit, in der viel los war. Ich glaube, da muss das Verkehrsministerium mit den Bahnunternehmen ins Gespräch kommen und schauen, dass man hier zu einem breiteren Aufstellen und zu einem besseren Ausbau kommt.
FDP-Chef Dr. Stefan Birkner.
Stefan Birkner (FDP): Zunächst ist es nötig, die verkehrliche Infrastruktur weiter auszubauen, sodass die Straßen in der Lage sind, den Autoverkehr aufzunehmen. Es ist die gemeinsame Aufgabe von Land und Kommunen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Natürlich ist auch über andere Mobilitätskonzepte nachzudenken – die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs und die Stärkung der Schiene. Zwischen Straße und Schiene muss sich das Ganze abspielen. Denn die Eigenart des Tourismus ist ja, dass die Menschen hin- und herkommen müssen und das auch zuverlässig, sonst funktioniert der Tourismus nicht in der Region.
Dana Guth (AfD): In den letzten Jahren hat der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) stark nachgelassen. Das weiß jeder, der in der Region wohnt. Das erweist sich jetzt natürlich ein Stück weit als Bumerang. So sollte man auf öffentliche Verkehrskonzepte setzen, die dann eine deutlich bessere Anbindung an ländliche Regionen bieten. Denn auch die Einheimischen leiden unter diesem stark eingeschränkten ÖPNV. Unter dem Tourismusaspekt braucht man logischerweise den ÖPNV.
Mit welchen Maßnahmen wollen Sie die Digitalisierung an Schulen nicht nur im technischen, sondern auch im pädagogischen Bereich vorantreiben?
Dirk Toepffer (CDU): Man muss jungen Menschen klar machen, welche Chancen die Digitalisierung, über das reine Daddeln am Handy hinaus, bietet. Ich sehe das bei meinem eigenen Sohn. Für ihn ist das Thema Digitalisierung meistens mit Freizeitgestaltung verbunden. Hier muss man junge Menschen sehr schnell an die Möglichkeiten heranführen, die die Wissenschaft im Bereich der Industrie und Technik bietet, um dort ein Interesse für digitale Berufe zu wecken. Dies halte ich für eine wichtige Aufgabe. Im Übrigen sollte man niemals den Fokus im Bereich „Gefahren der Digitalisierung“ verlieren, auch die gibt es.
Stefan Birkner (FDP): Es sind genau diese beiden Bereiche: Zunächst müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen sein. Dazu gehört, dass jede Schule einen Breitbandanschluss und einen zuverlässigen Internetzugang hat und dieser auch genutzt werden kann. Das andere ist, dass bei den Lehr- und Lernkonzepten ein Umdenken nötig sein wird. Digitalisierung ermöglicht die individuelle Beschulung. Ein Lehrer kann jedem Schüler viel einfacher eine individuelle Aufgabe zuweisen und damit viel zielgenauer arbeiten. Ich denke, dass dieses und das ganze Lehrmaterial eine komplette Umstellung erfordert. Es wird eine große Herausforderung sein, dies in die Lehrerausbildung zu integrieren, aber auch die Lehrkräfte weiterzubilden. Die Digitalisierung wird an Schulen nur funktionieren, wenn die Lehrer mindestens genau so viel digitales Wissen haben, wie die Kinder.
Anja Piel (Bündnis 90/Die Grünen): Das beginnt in der Lehrerausbildung. Und in der Tat haben wir heute einen Änderungseintrag eingebracht, in dem wir fordern, dass wir mehr Professoren an die Universitäten kriegen, die das erstmal lehren, so dass Lehrerinnen und Lehrer besser ausgebildet und besser aufgestellt sind, um dies an den Schulen umzusetzen.
Dana Guth, Landtagsfraktionsvorsitzende der AfD.
Dana Guth (AfD): Digitalisierung ist ein sehr beliebtes Thema, das hier auch hoch und runter gespielt wird. Es fehlt uns hier ein tatsächlicher Lösungsansatz. Es wird unheimlich viel diskutiert. Es werden Mittel als Sondervermögen bereitgestellt. Allerdings vermissen wir den klaren Weg. Er wird auch nicht von den beiden Regierungsparteien im Moment kommuniziert. Uns geht es nicht schnell genug. Die Schulen brauchen dringend eine deutlich bessere Ausstattung in diesem Bereich, weil das logischerweise die Technik der Zukunft ist. Und wenn die jungen Leute in der Schule nicht beginnen, sich in diesen Themen fit zu machen, wie soll es dann weitergehen mit der Berufsausbildung und dem Studium?
28% der Mitglieder im Landtag sind Frauen. Sind Sie für eine Einführung der Frauenquote in der Politik, insbesondere bei den Parlamentariern im Landtag?
Dirk Toepffer (CDU): Nein, ich bin gegen Quoten. Fraktionsübergreifend gibt es starke, durchsetzungsfähige Frauen. Das sind leider viel zu wenige, aber auch die sind mehrheitlich gegen solche Quoten, weil sie sagen: „Wir haben es geschafft, uns ohne Quoten durchzusetzen“. Andere Frauen können dies sicherlich auch. Unsere Frauen wissen, wie schwierig das ist und oftmals drängen sie auch zurecht auf die Unterstützung durch die Männer. Die Einführung einer Quote halte ich hier nicht für zielgerichtet, das müssen wir irgendwie anders schaffen. Aber ich erkenne auch nicht, dass wir hier ein riesengroßes Problem haben.
Anja Piel (Bündnis 90/ Die Grünen): Ja, wir sind als Grüne die einzige Fraktion, die quotiert ist. Wir haben gleich viele Männer wie Frauen. Das ist bei den Grünen seit neununddreißig Jahren durch das Frauenstatut festgelegt, und ja, ich kann mir gut vorstellen, dass solange der Missstand so eklatant ist, die anderen Parteien gut beraten sind, sich mit so einem Modell auch auseinander zu setzen.
Stefan Birkner (FDP): Nein, ich persönlich und die Freien Demokraten lehnen eine Frauenquote ab. Sie bringt zum Ausdruck, dass das Geschlecht entscheidend ist. Die Frauen, die sich aus eigener Stärke etablieren wollen und dies auch können, fühlen sich auf ihr Geschlecht reduziert. Ich verstehe den Antrieb und 28% sind zu wenig, aber eine Quote ist meiner Meinung nach das falsche Instrument. Das ist natürlich umstritten. Wir haben schon Einiges ausprobiert, aber auch noch keinen Erfolg erzielt. Deshalb diskutieren wir das natürlich auch immer wieder.
Dana Guth (AfD): Nein, wir sind ganz klar gegen die Einführung von Quoten. Man muss auch das Verhältnis der Mitglieder innerhalb der Parteien betrachten, auch dort gibt es keine 50:50 Quote. Wenn man diese für Politiker einführen würde, würde man damit automatisch die männlichen Mitglieder in der Parteibasis benachteiligen. Wie man das ändern kann, dass man mehr Frauen in die Politik holt, kann ich nicht sagen. Aber eine Quote ist sicherlich nicht die Lösung.
Redakteure Henry, Jonas, Jost, Vincent.
erstellt am 20.05.2018