Landtag-Online 05|2018
Ministerpräsident Weil: „Es kommt darauf an, dass die Menschen nach wie vor Herr über die Technik bleiben.“
Ein Beitrag von: Werner-von-Siemens-Gymnasium Bad Harzburg
Am zweiten Plenartag durften wir ein Interview mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) führen. Wir haben ihn sowohl zur Datenschutz-Debatte als auch zum neuen niedersächsischen Polizeigesetz befragt.
Aktuell wurde in den Medien vom neuen Polizeigesetz in Bayern berichtet. Können wir uns das neue Polizeigesetz in Niedersachsen auch so vorstellen, dass verdachtsunabhängige Ermittlungen möglich sind?
Ministerpräsident Weil: Verdachtsunabhängig nicht, aber wir müssen uns auch in Niedersachsen ganz genau die Frage stellen: Was machen wir mit sogenannten Gefährdern, die zwar im Blick der Ermittler sind, aber noch keine Straftaten begangen haben? Wir dürfen nicht warten, bis Anschläge geschehen sind. Wir müssen uns bemühen, im Vorfeld aktiv zu werden und somit Anschläge zu verhindern. Deshalb werden die Eingriffsmöglichkeiten der Polizei bei Verdachtsfällen erweitert. Bei schwerwiegenden Maßnahmen, wie Eingriffen in die Grundrechte, findet dies immer unter richterlicher Kontrolle statt. Leichtere und mittlere Kriminalität ist von der Erweiterung nicht betroffen. Hier reichen die herkömmlichen Befugnisse der Polizei aus. Die neuen Möglichkeiten sind begrenzt auf Fälle, wo wirklich schwerwiegende Straftaten drohen.
Ist es realistisch, dass die von Frau Piel geforderten zwei neuen Feiertage eingeführt werden? Können wir als Schüler auf mehr Feiertage hoffen?
Ministerpräsident Weil: Über alle Änderungen des Feiertagsgesetzes entscheidet der Niedersächsische Landtag. Ich vermute aber, dass es bei einem Feiertag bleiben wird. Wenn wir jetzt einen zusätzlichen Feiertag einführen, dann ist das doch schon mal ein deutlicher Schritt vorwärts.
Wir haben in dieser Debatte Ihre Position gehört. Was entgegnen Sie den Kritikern am Reformationstag?
Ministerpräsident Weil: Ich glaube, es wird übersehen, dass die Reformation nicht nur eine Bedeutung für die evangelische Kirche hat, sondern Auswirkungen auf unsere ganze Gesellschaft. Seit vielen Jahrhunderten und bis heute ist unsere Gesellschaft, vor allem in Niedersachsen, von der Reformation geprägt. Das geht weit über unmittelbare Kirchenmitgliedschaft und den Kirchenbesuch hinaus.
Ihr seid Schülerinnen und Schüler, für euch ist es selbstverständlich, dass ihr in einem Land aufwachst, wo Bildung so gut wie möglich gefördert wird. Das war es aber in der Geschichte bei Leibe nicht. Früher war das ein Privileg von ganz wenigen Hochgestellten. Die Reformation hat hier zu einem grundlegenden Wechsel geführt, denn die Reformatoren wollten, dass die Menschen die Bibel selbst lesen können sollten. Dazu mussten sie natürlich erst einmal lesen lernen. Die Übersetzung der Bibel ins Deutsche durch Luther ist für die Entwicklung der deutschen Sprache grundlegend. Deswegen kann man die Reformation auch als einen Startpunkt für ein anderes Bildungsverständnis sehen. Das ist nur ein Beispiel von ganz vielen. Der Reformationstag ist ein wichtiger Anlass, der die ganze Gesellschaft geprägt hat und an den man heute gut erinnern kann.
Welche Maßnahmen sieht die Landesregierung und planen Sie, die Digitalisierung an Schulen nicht nur im technischen, sondern auch im pädagogischen Bereich voranzutreiben?
Ministerpräsident Weil: Die Digitalisierung wird vermutlich Euer ganzes Leben prägen. Deswegen kommt es in der Schule darauf an, dass die jungen Leute in der Anwendung von Technik geschult werden. Es geht aber nicht nur um die Anwendung, sondern auch um den bewussten und kritischen Umgang damit. Ihr sollt nicht zu Objekten der Technik werden. Bei dem ungeheuren Fortschritt der letzten Jahre ist es entscheidend, dass die Menschen nach wie vor Herr über die Technik bleiben.
Was entgegneten Sie der Kritik der Opposition, der Entwurf zum Niedersächsischen Datenschutzgesetz sei „durchpeitscht“ worden?
Zuhören und Mitschreiben ist angesagt beim Interview mit Ministerpräsident Weil (SPD).
Ministerpräsident Weil: Diesen Vorwurf halte ich für ziemlich übertrieben. Das Thema Anpassung des Niedersächsischen Datenschutzrechtes an europäische Regeln ist nicht ganz neu. Vieles von dem, was wir an Kritik gehört haben, löst sich schnell auf, wenn man sich bewusst macht, dass die Polizei bestimmte Befugnisse bereits jetzt schon hat. Diese Befugnisse sind jedoch in einer allgemeinen Regelung und nicht in speziellen Regelungen niedergelegt. Ich glaube, dass in Zukunft die Gefährdung unserer informationellen Selbstbestimmung als Bürger noch stärker durch private, anonyme Mächte erfolgen wird als durch den demokratischen Rechtsstaat. Bei uns sind es letztendlich immer wieder die Richter, die aufpassen, dass unsere Freiheitsrechte gewahrt bleiben.
Vielen Dank für das Interview, Herr Ministerpräsident Weil.
Redakteure Henry, Jonas, Vincent und Jost
erstellt am 21.05.2018