Landtag-Online 02|2018
Über den Umgang mit der AfD im Niedersächsischen Landtag
Ein Beitrag von: Gymnasium Buxtehude Süd
Der Tagesordnungspunkt wirkte harmlos: Die AfD möchte das betäubungslose Schlachten in Niedersachsen ausnahmslos verbieten.
Dies soll insbesondere für das sogenannte Schächten gelten, den rituellen Schlachtungen im islamischen und jüdischen Kulturkreis.
Was von außen nach einem Vorhaben zur Stärkung des Tierschutzes aussieht, ziele nach Meinung der etablierten Fraktionen darauf ab, das Schächten zu diskriminieren und die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit einzuschränken.
Die Fraktionsvorsitzende der AfD, Dana Guth beschreibt anfangs minutenlang in allen Details den Tötungsprozess aus biologischer Sicht. Ein Blick auf die Zuschauertribüne – auf der eine Schulklasse Platz genommen hat – zeigt, dass dieser brillante rhetorische Einstieg seine Wirkung nicht verfehlt hat: Ekel und Abneigung spiegelt sich in den Gesichtern der Schüler. Die anschließende Debatte zeigt, dass die anderen Fraktionen noch immer keine Möglichkeit sehen, wie sie effektiv mit der AfD umgehen.
Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP halten aufbrausende Gegenplädoyers, nach denen sie sich stürmisch selbst beklatschen und in denen sie den Vorschlag als verfassungsfeindlich abtun. Viele Imame würden bereits das Schlachten mit Betäubung praktizieren. Daraus schließen die anderen Parteien, dass keine Notwendigkeit besteht, das Gesetz zu ändern. Der Vorschlag der AfD klammere zudem die Mitglieder jüdischer Religion aus, denen die Schlachtungen auch erlaubt sind, sodass die Vermutung naheliege, dass die AfD nur die muslimische Bevölkerung belasten wolle.
Damit ist die sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema aus Sicht der etablierten Parteien ausreichend geschehen. Gerade das Runterspielen der Problematik wirft allerdings die Frage auf, ob ein solches Gesetz nicht doch notwendig ist, schließlich scheint sich keine Bevölkerungsgruppe massiv eingeschränkt zu fühlen und Tierschutz und Religionsfreiheit grundsätzlich vereinbar.
Den traurigen Höhepunkt erreichte die Debatte, als die SPD-Abgeordnete Karin Logemann auf die Feststellung des AfD-Abgeordneten Christopher Emden, der das niedrige Niveau der Debatte kritisiert, erwidert: „Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Emden, das können wir ganz kurz machen: Niveaulos ist Ihr Antrag.“
Auch der frühere Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen) zeigt wenig Diskussionskultur und meint beinahe ignorant „Ich glaube, ich brauche von ganz rechts keine Hinweise dazu, wie wir den Tierschutz in Niedersachsen verbessern“. Daraufhin begegnet Emden souverän, dass die AfD es sehr begrüßen würde, wenn die Grünen den Mut hätten, in Sachen Tierschutz mit der AfD über die Fraktionsgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten.
Doch durch die oberflächliche Behandlung des Themas und dem automatischen Schieben in die rechte Ecke machen es sich die erfahrenen Parteien zu einfach. Es ist natürlich nicht zu erwarten, dass beispielsweise die Grünen auf das sehr provokative Angebot von Herrn Emden von der AfD eingehen. Dennoch ist der Umgang mit der AfD im Niedersächsischen Landtag noch schwieriger als auf Bundesebene, wo die AfD eher für plakative Schlagzeilen sorgt und wenig durch konstruktive Oppositionsarbeit aufgefallen ist. Die Masche der AfD, salonfähige Themen zu besetzten und in ihrem Sinne zu interpretieren, ist gefährlich für den demokratischen Diskurs, da dies dazu führt, dass diesen Themen ausgewichen wird.
Mittelfristig stehen die anderen Parteien, aber auch Verbände und Organisationen vor dem Problem, dass Themen, die traditionell von ihnen besetzt werden und völlig legitim in der Öffentlichkeit diskutiert werden, von der AfD instrumentalisiert werden können. Es besteht einerseits die Gefahr, dass Themen nicht mehr diskussionsfähig sind, sobald die AfD sie besetzt, und – obwohl sie eine differenzierte Betrachtung verdienten – somit unter den Tisch fallen. Andererseits kann das Auftreten der AfD im Niedersächsischen Landtag dazu führen, dass sie sich langsam in den Politikalltag integrieren kann und sich womöglich mit wichtigen Initiativen profilieren kann.
Wesentlich ausgewogener und differenzierter, auch weil schon im Ton ruhiger, tritt hier die CDU auf. Für sie als christlich geprägte Partei ist die Schlachtpraktik höchst bedenklich, trotzdem müsse man die freie Religionsausübung tolerieren. Wenn man über ein Verbot nachdenke, müsse es für alle Religionsgruppen gelten, nicht nur für Muslime. Bereits jetzt gebe es auch in den Ausnahmefällen strenge Kontrollen und z.B. eine veterinärmedizinische Aufsicht, religiöse Schlachtungen finden also bereits in einem strengen gesetzlichen Rahmen statt. Ein Verbot würde nur dafür sorgen, dass die Schlachtungen in die Illegalität abwandern und völlig der Aufsicht des Rechtsstaats entzogen sind. Der Abgeordnete Christoph Eilers schloss mit den Worten: „Die CDU wird sich an der Diskussion, wenn sie dem Tierschutz dienen sollte, beteiligen. Wir werden uns nicht daran beteiligen, akzeptierte religiöse Rituale zu bewerten und sie mit unseren Werten zu vergleichen. Wir stehen für eine offene Gesellschaft, den Dialog und die Akzeptanz der unter schiedlichen Religionen.“
Leider ging dieser wichtige Redebeitrag regelrecht in der Aufregung über die AfD unter.
Ein Kommentar von Nils und Joshua
erstellt am 01.03.2018