Landtag-Online 06|2019
Die halbe Macht den Frauen!? Abgelehnt!
Ein Beitrag von: Burg-Gymnasium Bad Bentheim
Heute fand die Debatte zur Einsetzung einer Enquete-Kommission für ein niedersächsisches Parité-Gesetz statt. Enquete-Kommission? Parité-Gesetz? Was ist das überhaupt?
Eine Enquete-Kommission ist eine überparteiliche Arbeitsgruppe, die über bedeutsame Sachthemen beraten und eine Lösung finden soll. Das Parité-Gesetz hat das Ziel, dass Männer und Frauen in den Parlamenten gleichwertig vertreten sind. Um das zu gewährleisten, schreibt das Gesetz den Parteien vor, dass zum Beispiel auf ihren Listen gleich viele Männer wie Frauen stehen.
Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Anja Piel eröffnete die Debatte mit einer Erinnerung an die Zeit, in der die Frauen für ihre Rechte kämpften. Sie stellte nüchtern fest, dass nach 100 Jahren Frauenwahlrecht immer noch ein Anteil von zwei Drittel Männer im Parlament säßen. Eine Parität könne nicht erreicht werden, ohne mit einer gesetzlichen Vorschrift die Frauenquote zu erhöhen. Parität sei ein Thema, womit sich alle befassen sollten und ein Thema, das alle betreffe. Zum Abschluss ihrer Rede bedankte sie sich bei Ministerpräsident Stephan Weil und der Großen Koalition mit den Worten: „Danke für Nichts!“
Anschließend sprach Dana Guth, die Vorsitzende der AfD-Fraktion. Sie begann mit einer kritischen Frage, ob die Politik besser wäre, wenn es eine Frauenquote von 50 Prozent gäbe. Sie behauptete, dass Frauen schon die gleichen Rechte und Möglichkeiten hätten wie Männer und somit ein Parité-Gesetz nicht notwendig sei. Die AfD-Fraktionschefin ist der Meinung, dass man nicht genug Frauen fände, die bereit seien ein politisches Amt zu übernehmen. Am Ende betonte sie noch einmal nachdrücklich, dass im Parlament Geschlechtsmerkmale nicht ausgeblendet werden sollten.
Die Abgeordnete Dr. Esther Niewerth-Baumann (CDU) erinnert daran, dass, obwohl es in Deutschland 42 Millionen Frauen und 41 Millionen Männer gebe, das niedersächsische Parlament zurzeit einen Frauenanteil von nur 27 Prozent habe. Auch bei den Grünen läge der Anteil der aktiven Frauen unter 40 Prozent, obwohl sie sich immer für eine Frauenquote von 50 Prozent eingesetzt hätten. Sie lehne die Enquete-Kommission ab und halte auch das Parité-Gesetz für verfassungswidrig. Es müsse in Artikel 38 GG (Wahlrechtsgrundsätze) und Artikel 8 der Landesverfassung (Wahl des Landtages) eingegriffen werden. Ersteres könne sowieso nur der Bund. Abschließend sagte sie: „ Mit einem Gesetz ändern wir nur die Symptome, nicht die Ursache“ und forderte alle Parteien dazu auf, die Mitwirkung von Frauen zu fördern.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder stellte fest, dass sich alle im Landtag darüber einig seien, dass es keinen Sinn mache, mit Dana Guth über die Frauenquote zu diskutieren. Sie lobte die FDP-Landtagsfraktion, da sie sich für eine Enquete-Kommission und somit für ein Parité-Gesetz einsetze. Damit hebe sie sich deutlich von der FDP auf Bundesebene ab. Die SPD-Fraktionsvorsitzende betonte, dass alle Parteien dazu aufgefordert seien, ihre Partei offener und attraktiver für Frauen zu gestalten. Abschließend stellte sie fest, dass eine Enquete-Kommission nicht erforderlich sei und die SPD somit den Zwischenschritt einer Enquete-Kommission ablehne.
Anja Piel erhielt für ihr Stören und ihre mehrfachen Einwürfe „Unverschämtheit“ während der Rede von Johanne Modder von Vizepräsident Bernd Busemann einen Ordnungsruf. In einer anschließenden Kurzintervention betonte Piel, dass ihr Vorgehen nicht, wie Modder meinte, ein taktisches Spiel sei. Sie nehme nichts zurück und kassiere dafür gerne einen Ordnungsruf. Sie warf Stephan Weil außerdem vor, dass er sich „keinen Millimeter“ für das Thema interessiere. Der Abgeordnete Siebels solle erstmal „seine Reihen vollkriegen“; die taktischen Spielchen der SPD seien „lächerlich“.
Dr. Marco Genthe, FDP griff in seinem Redebeitrag auf die Einbringung des Antrags zurück. Damals habe er darauf hingewiesen, dass ein Parité-Gesetz verfassungsrechtliche Probleme mit sich bringe. Da Johanne Modder für ein Parité-Gesetz ist, fragte er sie, ob sie ihm nicht zugehört habe oder es einfach nicht begreife. Die Enquete-Kommission sei ein gutes Instrument, um zu klären, ob und wie die Frauenquote erhöht werden kann. Es sei der Sache nicht angemessen, dass Johanne Modder nur „Heftchen“ an die Abgeordneten verteile und dann eine Lösung innerhalb der SPD finden wolle.
Die Vorwürfe Johanne Modders, so Dr. Marco Genthe, sollten nur kaschieren, dass die SPD argumentativ „blank“ sei.
SPD-Sozialministerin Dr. Carola Reimann machte deutlich, dass sie sich über jeden freue, der sich für Parité stark macht. Sie betonte, dass im Jahr 2019 immer noch „Welten“ zwischen dem geschriebenen Gesetz und der Realität lägen. Die fehlende Gleichberechtigung sei ein Strukturproblem und man solle anfangen zu handeln statt zu reden. Von der Einsetzung einer Enquete-Kommission profitierten weder die Frauen, noch die Gesellschaft und die Parteien. Sie plädierte abschließend für ein Parité-Gesetz, da die Frauen als Entscheidungsträger fehlten. Das unterstrich sie mit dem Satz: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, oder besser gesagt, die nicht gewinnt!“
Imke Byl, frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, zeigte sich erschüttert über das Verhalten der CDU und SPD. Die Grünen hätten der CDU eine Brücke gebaut, die SPD stelle sich aber dagegen. Frauenpolitik sei wichtig. „Wir brauchen dringend mehr als Presseerklärungen!“ forderte die Grünen-Politikerin. Es sei Zeit für ein gleichberechtigtes Parlament. Die ablehnenden Fraktionen forderte sie auf, selber konkrete Vorschläge für die Durchsetzung der Gleichberechtigung im Parlament zu machen.
Die namentliche Abstimmung der 132 anwesenden Abgeordneten ergab: Die Ausschussempfehlung, den Antrag der Grünen und Liberalen abzulehnen, wurde mit 109 Ja-Stimmen angenommen: Eine Enquete-Kommission wird demzufolge nicht eingerichtet.
Autoren: Lu und Alexander
erstellt am 19.06.2019