Landtag-Online 11|2019
Die Windenergie in Niedersachsen – Ist die Luft raus?
Ein Beitrag von: Wilhelm-Röpke-Schule - KGS Schwarmstedt
Den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf 65% zu erhöhen– das ist das Ziel der Bundesregierung. Eine gute Möglichkeit diese Quote zu erreichen ist die Windkraft. Jedoch ist die Branche bedroht.
Innerhalb der letzten Jahre gab es einen Arbeitsplatzrückbau von circa 40.000 Arbeitnehmern, mehr als die gesamte Anzahl an Arbeitskräften im Braunkohlesektor. Zudem will der Konzern Enercon bundesweit 3.000 Arbeitsstellen abbauen, wie die Unternehmensführung kürzlich mitgeteilt hat. Außerdem gibt es noch einige weitere Probleme beim Ausbau der Windenergie.
„Niedersachsen ist das „Windland“ Nummer eins“, hob Ministerpräsident Weil in seiner Regierungserklärung am Dienstag hervor. Kein deutsches Bundesland sei in Belangen der Windenergie so fortschrittlich wie Niedersachsen. Allerdings sei der Titel durch die rückgängige Windkraftwirtschaft gefährdet.
Der neue Gesetzesentwurf der Bundesregierung einer 1000-Meter-Abstandsregel zu Siedlungen und Dörfern könnte die potenziell für Windkraft nutzbare Fläche auf lediglich 3,6% der niedersächsischen Landfläche reduzieren. Zudem könnte von dieser ein weiterer großer Teil für Natur- und Artenschutz abgezogen werden.
Die Standorte der alten, bald zu erneuernden Windparks, sind ebenso nicht gesichert. So könnten sich dort beispielsweise die unter Artenschutz stehenden Störche angesiedelt haben, da sich „Störche nicht an unsere Gesetze halten“, wie der CDU-Abgeordnete Ulf Thiele in der sich an die Regierungserklärung anschließenden Aussprache äußert.
Der Energiekonzern Enercon macht einen großen Teil des Baus von Windkraftanlagen in Niedersachsen aus. Die Zahl der neu errichteten Windräder betrug in diesem Jahr nur ca. 10% des Vorjahres.
Die Fraktionen geben verschiedene Lösungsansätze. Zehn Punkte hat Stephan Weil in seiner Regierungserklärung genannt. So sollen Bürgerwindparks eine Lösung sein. Um diese zu realisieren, will der Ministerpräsident eine sogenannte „De-minimis-Beihilfe-Regelung“ nutzen, die eine Unternehmensförderung mit öffentlichen Mitteln erlaube.
Die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Anja Piel, fordert Initiative von CDU-Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und SPD-Ministerpräsident Stephan Weil. So sollen sie „in Berlin auf den Tisch schlagen“, um Angela Merkel und die GroKo auf das Thema aufmerksam zu machen. Die heißdiskutierte 1000-Meter-Abstandsregel sei aus ihrer Sicht der „letzte Sargnagel“ für die Windenergie und somit eine Gefahr für den Standort „Küste“, da dort die Windkraft einen enormen Wirtschaftszweig ausmache.
Dr. Stefan Birkner (FDP) fordert ein Wettbewerbssystem anstatt einer Planwirtschaft beim Ausbau von Windkraftanlagen. Zudem sollten die Umweltpolitik und der Artenschutz nicht verändert werden, um Windenergie mehr Möglichkeiten zu schaffen.
Der AfD-Sprecher Stefan Wirtz wirft der SPD „Planwirtschaft ohne Plan“ und Verstaatlichung sowie Sozialismus vor. Außerdem spricht er sich gegen die „Vogelschredder“ ohne Abstandsregelung aus, da es ein „Armutszeugnis“ sei, wenn diese Anlagen im „Vorgarten stehen“.
Der Parlamentarische Geschäftsführer Wiard Siebels (SPD) betonte im anschließenden Interview, dass er sich dafür einsetzt, möglichst viele Enercon-Angestellte, die durch den Arbeitsplatzabbau bedroht sind, im Betrieb zu halten. Er verwies darauf, dass Enercon in seiner Heimat Aurich, dem Hauptsitz von Enercon, einen großen Teil der Gewerbeeinnahmen ausmache. Enercon war 2013 noch der größte Betrieb in Ostfriesland, jedoch gehe diese Zahl zurück.
„Artenschutz ist Klimaschutz“ ist die Aussage von Imke Byl, (Bündnis 90/Die Grünen). Dies begründet die umweltpolitische Sprecherin damit, dass die Klimakatastrophe ein Hauptgrund für das Artensterben ist. Auch die bisher jüngste Politikerin des Landtages spricht sich gegen die 1000-Meter-Abstandsregelung aus. Es sollte individuell entschieden werden, wie weit Windkraftanlagen von Siedlungen entfernt sein sollten.
Auf die Frage, was sie von dem von Stefan Wirtz benutzten Begriff „Vogelschredder“ und dem Vorwurf von AfD und FDP, dass die Grünen Artenschutz unter Windenergie stellen, hält, entgegnete sie: „Sowohl die AfD als auch die FDP haben da heute in der Debatte sehr viel Unsinn erzählt. Und auch gerade die FDP hat mich aufgeregt, […] weil sie wirklich auch falsche Aussagen getätigt hat und Sachen gesagt hat, die so in unserem Antrag nicht drinstehen.“
Inwiefern die Debatte um die Windenergie in Zukunft noch stürmisch bleibt, wird sich in den folgenden Sitzungen herausstellen.
erstellt am 20.11.2019