Landtag-Online 11|2019
GroKo, Windkraft, digitale Bildung
Ein Beitrag von: Wilhelm-Röpke-Schule - KGS Schwarmstedt
Interview mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu aktuellen Themen
Reporter: Wie bewerten Sie Ihre bisherige Arbeit mit dem Koalitionspartner CDU?
Stephan Weil: Erstaunlich gut. Im Landtagswahlkampf hatten wir uns noch kräftig gestritten. Dann haben wir uns gesagt, wenn wir jetzt schon zu unserer großen Überraschung künftig zusammen regieren, wollen wir das auch anständig machen. Und auf dieser Grundlage klappt das bis jetzt eigentlich ganz gut.
Reporter: Können Sie eine Top Drei des Zehn-Punkte-Plans zur Rettung der Windenergie nennen?
Stephan Weil: Der wichtigste Punkt ist eine genauere Planung zum Ausbau der erneuerbaren Energien, um den Klimaschutz voranzutreiben. Der zweite Punkt ist, dass wir leichter zu Genehmigungen kommen müssen. Bis jetzt ist es im Grunde ein Hürdenlauf. Das muss leichter und schneller gehen.
Natürlich soll es trotzdem Bürgerbeteiligungen geben. Und es muss auch eine Abwägung beispielsweise mit dem Artenschutz vorgenommen werden oder mit anderen Belangen. Aber so lange wie bisher darf all das eben nicht mehr dauern. Und der dritte Punkt ist ein spezieller: Aktuell stehen in Niedersachsen viele schon etwas ältere Windräder, die bald am Ende ihres Lebenszyklus angekommen sind. Sie müssen ersetzt werden. Die neuen Anlagen aber sind wesentlich leistungsstärker, deshalb benötigt man weniger von ihnen, aber gleichzeitig sind sie auch höher.
Wenn jetzt die alten Anlagen durch neue ersetzt werden sollen, darf meiner Ansicht nach nur das überprüft werden, was sich verändern wird, etwa die Höhe. Würde das gesamte Genehmigungsverfahren neu aufgerollt, würden wir viel Zeit verlieren und riskieren, dass hinterher weniger Anlagen stehen als vorher. Man darf nicht Standorte in Frage stellen, an denen schon viele Jahre lang Windenergie produziert worden ist.
Reporter: Haben Sie schon eine konkrete Alternative für den 1000 Meter Abstand von Windkraftanlagen zu Siedlungen beziehungsweise Dörfern?
Stephan Weil: Nein, es gibt ja auch noch gar keinen Gesetzentwurf, die Bundesregierung ist sich da offenbar auch noch nicht ganz einig. In Niedersachsen haben wir uns vorgenommen, dass wir mit den unterschiedlichen Beteiligten reden, um für Niedersachsen die beste Lösung zu erreichen.
Reporter: Wie lautet Ihr Standpunkt zum Thema Entkriminalisierung des sogenannten “Containerns”*? Ist es Ihres Erachtens nach ein notwendiger Schritt?
Stephan Weil: Erstmal leuchtet es nicht ein, dass arme Menschen dafür bestraft werden, dass sie Lebensmittel suchen. Gleichzeitig gilt aber in Deutschland die Regel, dass ein befriedetes Grundstück nicht betreten werden darf. Dies wäre dann nämlich Hausfriedensbruch. Daher ist das Thema rechtlich nicht ganz einfach. Ich möchte aber zu einer Straffreiheit kommen. Ich glaube, am besten wäre ein System, das den Lebensmitteleinzelhandel verpflichtet, die Lebensmittel, die noch genießbar sind, in einen Container zutun, aus dem sich dann Menschen etwas herausnehmen können. Ich wünsche mir, man käme freiwillig zu einem solchen System, Sonst müsste es gesetzlich vorgeschrieben werden.
Reporter: Welchen Stellenwert hat für Sie das Thema „Bildung in der digitalisierten Welt”?
Online-Redaktion nach dem Interview mit Ministerpräsident Stephan Weil. Dabei: unser Pate Sebastian Zinke (links) und Lehrer Herr Niemeyer.
Stephan Weil: Es ist gar nicht zu fassen, was innerhalb von einer Generation an Veränderungen stattgefunden hat. Die Welt, in der die heutige Generation aufwächst, ist weitgehend digital. Wenn ihr in so einer digitalen Welt aufwachst, dann müsst ihr die Technik anwenden können, aber auch kritisch die Grenzen und die Gefahren der Digitalisierung sehen. Ihr müsst die Technik beherrschen, nicht die Technik euch. Ihr solltet auch ein durchaus kritisches Verhältnis zu Medien haben. Ihr müsst wissen, dass ihr auch mal abschalten könnt und es wäre gut, wenn ihr nicht nur in eurer eigenen Meinungsblase unterwegs wäret. Jeder muss auch mal etwas lesen, was man gar nicht gut findet und eine Sache aus mehreren Blickwinkel betrachten. Für all das benötigen wir eine gute Ausstattung und eine gute Pädagogik an den Schulen. Daher wird in den nächsten Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro in die niedersächsischen Schulen fließen.
Reporter: Sehen Sie die Investition in die digitale Bildung als Allheilmittel für die Bildungsmisere in Deutschland?
Stephan Weil: Nein, das ist eine von mehreren Herausforderungen. Das größte Problem ist, dass es immer noch zu sehr vom Elternhaus abhängt, welche Bildungschancen man hat.
Reporter: Was finden Sie an Ihrem Beruf am interessantesten?
Stephan Weil: Ich bin ein sehr neugieriger Mensch und ich habe einen Beruf, in dem ich jeden Tag etwas Neues kennenlerne. Ich lerne gerne neue Leute und neue Themen kennen. Das ist wirklich spannend in meinem Beruf. Abgesehen davon finde ich die Arbeit, die ich gerade mache, absolut sinnvoll.
Reporter: Vielen Dank, dass Sie Zeit für uns gefunden haben.
Stephan Weil: Sehr gerne doch, herzlichen Dank.
*Mehr zum Thema im Artikel “Containern – Diebstahl oder Rettung von Lebensmitteln”?
erstellt am 25.11.2019